Vom Chemiker zum Kreativen – Interview mit dem Infografiker Jochen Wenzel

Jeder Designer hat sein Spezialgebiet. Meines sind unangefochten Infografiken – ich finde es einfach großartig Informationen und komplexe Inhalte visuelle aufzubereiten und so für den Leser verständlich zu machen. Aber ich weiß natürlich auch, dass diese Infografik-Vorliebe eher ein Einzelfall ist. Nicht viele Designer spezialisieren sich auf diesen Bereich. Ums so mehr hat es mich gefreut, als ich Jochen Wenzel kennengelernt habe. Denn Jochen ist ebenfalls Infografiker und das schon seit mehr als 20 Jahre.

Interview mit Jochen Wenzel auf AchtungDesigner.de

Hallo Jochen, das Besondere an deinen Designs ist ja, dass jeder von uns sie schon einmal gesehen hat. Zumindest, wenn man aus dem Nordosten von Deutschland kommt. Aber erzähl doch selbst wer du bist und was du genau machst.

Meine übliche Antwort darauf lautet immer, wenn mich Freunde danach fragen und die nicht aus meinem Arbeitsumfeld stammen: Ich mache in der Tageszeitung die bunten Dinge, die keine Fotos sind. Hilft den meisten aber nicht so richtig weiter ;-). Ich bin Infografiker und bin Journalist, der nicht schreibt, sondern die Informationen grafisch und für den Leser, leicht verständlich umsetzt. Ob Statistiken zum Haushalt der Stadt, Karten wo die die nächste Baustelle und die Umleitung dazu sein wird, wo das Land liegt in dem ein Flugzeug abgestürzt ist, wie die Verflechtungen der HSH Nordbank aussehen oder das Spielfeld beim American Football aussieht. Also Grafiken zu Themen aus allen Gebieten und Ressorts.

Interview – Zitat Jochen Wenzel auf Achtung Designer

Ursprünglich hast du einen überhaupt nicht designtypischen Hintergrund, du bist nämlich promovierter Chemiker. Wie bist du da zum Design gekommen?

Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Gegen Ende meines Studiums, waren noch sehr die Auswirkungen des zweiten Golfkrieges zu spüren. Die chemische Industrie stellte so gut wie niemanden mehr ein – außer als Pharmareferent. Das war aber für mich überhaupt keine Alternative. Also musste Plan B her. Die Idee: wissenschaftlichen Ausbildung mit meinem Hobby Layout und Grafik zu verbinden. Damit wollte ich mich bei wissenschaftlichen Verlagen bewerben. Aber bei dem ersten Besuch im Arbeitsamt stolperte ich über den Prospekt des Journalistenzentrums Haus Busch in Hagen, die eine einjährige Ausbildung zum Infografiken anboten. Und von da an lief es perfekt weiter. Nach dem Aufnahmetest direkt zur Ausbildung und mit dem Schlusspraktium hatte ich auch gleich den Arbeitsvertrag bei den Lübecker Nachrichten in der Tasche. Und mittlerweile sind 20 Jahre daraus geworden und habe es nie bereut.
Und als kleine Randnotiz: Ohne zu wissen, dass dies später mal mein Job sein wird, habe ich schon in weit früher in der Vereinsjugendzeitung, Abizeitung und meiner Promotion schon eigene Infografiken erstellt.

Welche Bereiche der kreativen Arbeit reizen dich besonders?

Zum einen sich in völlig verschiedene Themen einzuarbeiten, um diese zu verstehen – ich lerne jeden Tag etwas dazu. Und zum anderen diese Informationen so auf den Punkt zu bringen und dann umzusetzen, dass jeder Leser das Thema auch verstehen kann.

Mich in völlig verschiedene Themen einzuarbeiten, reizt mich. #Infografiker Jochen Wenzel im #Interview. @gudrunwegener Klick um zu Tweeten

Du musst in deinem Designbereich unglaublich schnell sein. Wie lange dauert ein Auftrag bei dir in der Regel von der Anfrage, bis hin zur Übergabe der fertigen Grafik?

Das ist ganz unterschiedlich, da es natürlich auch bei Tageszeitungen Themen gibt, die mit ein, zwei oder mehr Tagen Vorlaufzeit bearbeitet werden können. Aber viele der Aufträge müssen auch in zwei, drei Stunden fertig sein. Hier gibt es keine Chance zu sagen: Das schaffe ich heute nicht mehr und mache morgen weiter. Ansonsten gäbe es weiße Flecken mit Notizen für den Leser in der Tageszeitung.

Vor deiner Selbstständigkeit hast du 10 Jahre bei den Lübecker Nachrichten gearbeitet. Das heißt, dass du die Veränderungen und die Digitalisierung des Zeitungswesens bzw. die Hürden damit  live mitbekommen hast. Wie wird sich, aus deiner Sicht, der Zeitungsmarkt und auch der regionale Zeitungsmarkt entwickeln.

Der Printbereich wird immer mehr zurückgehen, auch wenn ich nicht glaube, dass in es absehbarer Zeit keine gedruckte Tageszeitung mehr geben wird. Wohin es sich entwickelt, wie wir in fünf oder zehn Jahren Informationen erhalten und wie wir diese auf und mit welchen Geräten auch immer konsumieren werden, ist heute nicht abzusehen. Kaum einer hat sich vor zehn Jahren, vor der Vorstellung des iPhones, vorstellen können, wie wir heute Informationen teilen und konsumieren. Und die Entwicklung geht immer schneller voran. Ich finde es sehr spannend dies alles zu erleben.

Das der Printbereich immer stärker zurück geht, hat großen Einfluss auf meine Arbeit. #Infografiker Jochen Wenzel im #Interview. @gudrunwegener Klick um zu Tweeten

Inwiefern hat das auch Einfluss auf deine tagtägliche Arbeit?

Dies hat großen Einfluss auf meine Arbeit. Die Print-Aufträge gehen zurück, weil die Online-Veröffentlichungen zunehmen. Anderseits gibt es aus dem Online-Bereich noch zu wenig Aufträge für Infografiken. Für mich heißt dies aber auch, mir neue Techniken anzueignen. Eine Printgrafik einfach online zu stellen, ist nur eine Hilfskonstruktion. Eine Online-Infografik sollte alle Möglichkeiten ausnutzen – aber immer im Sinne zur Informationsvermittlung für den Leser und nicht als Zurschaustellung der Programmierfähigkeit des Grafikers. Animierte und/oder interaktive Infografiken und Inhalte werden die Zukunft sein.

Was schätzt du an deiner Selbstständigkeit am meisten und was ist die größte Herausforderung für dich?

Im Prinzip beides Mal das gleiche. Als Einzelkämpfer ist es einfach klasse sich seine Zeit – zumindest zum Großteil – selber einteilen zu können. Also z. B. wenn es grad schön draußen ist, sich eine halbe Stunde aufs Rad setzen zu können und durchzupusten. Aber genauso schwierig ist es, den inneren Schweinehund zu überwinden und im Home-Office strukturiert zu arbeiten und sich nicht vom Alltag ablenken zu lassen.

Interview // Infografiker Jochen Wenzel // AchtungDesigner.de

Coworking-Spaces, Meetups oder Social Media – Wie hältst du es mit dem kreativen Kontakt zu anderen Designern?

Sehr viel, denn der fehlt mir hier, wenn ich hier alleine vor dem Rechner sitze. In Zeiten, wenn mir mal die Decke auf den Kopf fällt, ist es klasse, sich einfach den Laptop schnappen zu können und zum Coworking in die Stadt zu gehen. Es ist schon völlig anders und gut, anderen Menschen beim arbeiten zuzuschauen – ganz zu schweigen vom kleinen Schnack beim Kaffee.

Welchen Tipp würdest du einem anderen Designer geben, der mit dem Gedanken spielt sich selbstständig zu machen?

Es machen! Oder – natürlich gut überlegen – aber nicht zu viel grübeln. Es wird schon funktionieren.

Aktuelle Arbeit von Infografiker Jochen Weitzel - SiliconValley

Fakten und Informationen visuell erklärt – so sieht eine typische Infografik von Jochen Wenzel aus.

Woran arbeitest du gerade und wie sieht es an deinem Arbeitsplatz aus?

Projekt ist vielleicht ein bisschen zuviel gesagt – aber dies ist eine Infografik für eine Serie der Kieler Nachrichten. San Francisco ist jetzt Partnerschaftstadt von Kiel und wird in einer Serie vorgestellt. Diesmal das Silicon Valley. Also Verortung und Einordnung sowohl karthografisch als im Vergleich mit anderen IT-Clustern. Und mein Arbeitsplatz sieht wirklich die allermeiste Zeit so aus …

Arbeitsplatz-Jochen Weitzel

Blick hinter die Kulissen eines Infografikers – Das ist der Arbeitsplatz von Jochen Wenzel.

Vielen Dank für die Einblicke in deine Arbeit, Jochen!

Das Interview wurde im November 2017 geführt.
Fotocredit Titelbild: Unsplash

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